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18
Jahre nach der Parteispendenaffäre hat der ehemalige Flick-Manager
Eberhard von Brauchitsch seine Memoiren veröffentlicht. Statt einer
Besprechung dokumentiereren wir Auszüge:
"Vor meiner ersten Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss Afnfang
1984 bat mich der Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang
Schäuble, um ein persönliches Gespräch. (...) Schäuble redete auf
mich ein: Der Kanzler bitte mich inständig, jetzt keinen Fehler
zu machen und Michael Kohlhaas zu spielen. Ich brauchte mich doch
gar nicht so genau zu erinnern."
"Hatte ich geschäftlich in Frankfurt zu tun, machte ich auf dem
Rückweg gern bei ihm Station. Wir verabredeten uns meist nach Dienstschluss
in seinem Büro und gingen dann in die geschmackvoll bescheidene
Weinprobierstube in der Staatskanzlei, wo Kohl immer einen guten
Tropfen und eine Brotzeit bereithielt."
"Jeden Morgen telefonierte Kohl mit einigen Orts- oder Kreisvorsitzenden,
fragte nach dem Wetter, nach den Kindern, nach der Arbeit der Partei.
Diese Bodenhaftung zahlte sich für ihn doppelt aus: Er konnte Stimmungen
frühzeitig erkennen und, wo es ihm nötig schien, auch personell
eingreifen, und er verpflichtete sich die Leute an der Basis. (...)
Auf alle, die er anrief, fiel ein Strahl der Macht."
"Bei seinem ersten Besuch bei uns hat sich Kohl das Wohlwollen meiner
Kinder dadurch verscherzt, dass er durchs Haus ging und Bilder umhängte."
"Unter dem Druck der Parteimehrheit legte Rainer Barzel Anfang Mai
1973 den Fraktionsvorsitz nieder und verzichtete wenige Tage später
auch auf eine Neukandidatur zum Parteivorsitz. (...) Dafür zu sorgen,
dass ein verdienter Politiker nicht ins Leere fällt, und zu prüfen,
ob man bei seinem Übertritt ins Wirtschaftsleben Hilfestellung leisten
kann, scheint mir eine Selbstverständlichkeit. (...) Wie der Kontakt
zwischen Barzel und der Frankfurter Anwaltskanzlei Paul zustande
kam, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Die Kanzlei Paul, eine
erste Adresse in Frankfurt, war seit Jahren regelmäßig für Flick
tätig und hat viele Vorgänge des Hauses gutachterlich begleitet.
(...) Zwischen 1973 und 1980 waren Paul jährlich gut DM 200000,-
Honorar überwiesen worden. Ich weiß weder, für welche Leistungen
im einzelnen Paul dieses Honorar erhielt oder ob es sich um eine
Pauschalgebühr handelte, noch kannte ich die Vereinbarung zwischen
Paul und Barzel."
"Der Betrag von 30000 DM, den Juliane Weber (Kohls langjährige Sekretärin,
d. Red.) laut Diehl-Listen am 6. Dezember 1977 persönlich bei mir
abgeholt hatte, war in den Büchern der CDU nicht aufzufinden. Die
Weitergabe eines Betrages von 25000 DM vom März 1979 ließ sich ebenfalls
nicht belegen. (...) Ich schließe nicht aus, dass die fraglichen
Beträge gar nicht für Helmut Kohl bestimmt waren. Er hat mich gelegentlich
angerufen und nur gesagt "Juliane kommt". Frau Weber erklärte mir
dann, dass in diesem oder jenem Landesverband dieser oder jener
Vertrauensmann Kohls unterstützt werden müsse. (...) Diehls Eintrag
"wg. Kohl" heißt nicht in jedem Fall, dass Helmut Kohl auch der
Empfänger war."
"Im direkten Vergleich wirkt Gerhard Schröder heute zweifellos mobiler
als Helmut Kohl. Obwohl er Kanzler der Sozialdemokraten ist, scheint
er sozialistischen Utopien, denen er noch in seiner Zeit als Juso-Vorsitzender
anhing, längst abgeschworen zu haben. Kohl blieb auch als Kanzler
immer in der katholischen Soziallehre verankert, deren unsubstantielle
Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit wenig praktikabel und für
die Interessen der deutschen Wirtschaft mitunter höchst hinderlich
waren. Schröder scheint demgegenüber geradezu unbefangen."
Eberhard von Brauchitsch, Der Preis des Schweigens. Erfahrungen
eines Unternehmers, Propyläen Verlag 1999
18 Jahre nach der Parteispendenaffäre hat der ehemalige Flick-Manager
Eberhard von Brauchitsch seine Memoiren veröffentlicht. Statt einer
Besprechung dokumentiereren wir Auszüge:
"Vor meiner ersten Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss Afnfang
1984 bat mich der Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang
Schäuble, um ein persönliches Gespräch. (...) Schäuble redete auf
mich ein: Der Kanzler bitte mich inständig, jetzt keinen Fehler
zu machen und Michael Kohlhaas zu spielen. Ich brauchte mich doch
gar nicht so genau zu erinnern."
"Hatte ich geschäftlich in Frankfurt zu tun, machte ich auf dem
Rückweg gern bei ihm Station. Wir verabredeten uns meist nach Dienstschluss
in seinem Büro und gingen dann in die geschmackvoll bescheidene
Weinprobierstube in der Staatskanzlei, wo Kohl immer einen guten
Tropfen und eine Brotzeit bereithielt."
"Jeden Morgen telefonierte Kohl mit einigen Orts- oder Kreisvorsitzenden,
fragte nach dem Wetter, nach den Kindern, nach der Arbeit der Partei.
Diese Bodenhaftung zahlte sich für ihn doppelt aus: Er konnte Stimmungen
frühzeitig erkennen und, wo es ihm nötig schien, auch personell
eingreifen, und er verpflichtete sich die Leute an der Basis. (...)
Auf alle, die er anrief, fiel ein Strahl der Macht."
"Bei seinem ersten Besuch bei uns hat sich Kohl das Wohlwollen meiner
Kinder dadurch verscherzt, dass er durchs Haus ging und Bilder umhängte."
"Unter dem Druck der Parteimehrheit legte Rainer Barzel Anfang Mai
1973 den Fraktionsvorsitz nieder und verzichtete wenige Tage später
auch auf eine Neukandidatur zum Parteivorsitz. (...) Dafür zu sorgen,
dass ein verdienter Politiker nicht ins Leere fällt, und zu prüfen,
ob man bei seinem Übertritt ins Wirtschaftsleben Hilfestellung leisten
kann, scheint mir eine Selbstverständlichkeit. (...) Wie der Kontakt
zwischen Barzel und der Frankfurter Anwaltskanzlei Paul zustande
kam, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis. Die Kanzlei Paul, eine
erste Adresse in Frankfurt, war seit Jahren regelmäßig für Flick
tätig und hat viele Vorgänge des Hauses gutachterlich begleitet.
(...) Zwischen 1973 und 1980 waren Paul jährlich gut DM 200000,-
Honorar überwiesen worden. Ich weiß weder, für welche Leistungen
im einzelnen Paul dieses Honorar erhielt oder ob es sich um eine
Pauschalgebühr handelte, noch kannte ich die Vereinbarung zwischen
Paul und Barzel."
"Der Betrag von 30000 DM, den Juliane Weber (Kohls langjährige Sekretärin,
d. Red.) laut Diehl-Listen am 6. Dezember 1977 persönlich bei mir
abgeholt hatte, war in den Büchern der CDU nicht aufzufinden. Die
Weitergabe eines Betrages von 25000 DM vom März 1979 ließ sich ebenfalls
nicht belegen. (...) Ich schließe nicht aus, dass die fraglichen
Beträge gar nicht für Helmut Kohl bestimmt waren. Er hat mich gelegentlich
angerufen und nur gesagt "Juliane kommt". Frau Weber erklärte mir
dann, dass in diesem oder jenem Landesverband dieser oder jener
Vertrauensmann Kohls unterstützt werden müsse. (...) Diehls Eintrag
"wg. Kohl" heißt nicht in jedem Fall, dass Helmut Kohl auch der
Empfänger war."
"Im direkten Vergleich wirkt Gerhard Schröder heute zweifellos mobiler
als Helmut Kohl. Obwohl er Kanzler der Sozialdemokraten ist, scheint
er sozialistischen Utopien, denen er noch in seiner Zeit als Juso-Vorsitzender
anhing, längst abgeschworen zu haben. Kohl blieb auch als Kanzler
immer in der katholischen Soziallehre verankert, deren unsubstantielle
Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit wenig praktikabel und für
die Interessen der deutschen Wirtschaft mitunter höchst hinderlich
waren. Schröder scheint demgegenüber geradezu unbefangen."
Eberhard
von Brauchitsch, Der Preis des Schweigens. Erfahrungen eines Unternehmers,
Gebundene Ausgabe: Propyläen Verlag 1999, 302 Seiten, 22,50 EUR
Taschenbuchausgabe: Ullstein Taschenbuch-Verlag 2001, 352 Seiten,
9,15 EUR
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