Wahrscheinlich hat kaum einer der 15 Prominenten geglaubt, dass jemals öffentlich würde, was Herlinde Koelbl mit Tonband und Kamera aufzeichnete, als sie ab 1991 Politiker und Wirtschaftsbosse aufsuchte. Jedes Jahr kam die Fotografin wieder; sie knipste, filmte, stellte Fragen, fädelte Gespräche ein. Das Resultat dieser achtjährigen Langzeitbeobachtung ist bemerkenswert. Schon beim Durchblättern fällt auf, wie - in den meisten Fällen - Körper dicker und Augen enger werden, wie sich Falten ins Gesicht legen und das Haar ergraut. Richtig lesenswert sind die Gespräche. Viele der Beteiligten gehen aus sich heraus. Karlheinz Blessing, früher rechte Hand der Vorsitzenden Franz Steinkühler (IG Metall) und Björn Engholm (SPD), gibt zu, dass es schon ein angenehmes Machtgefühl ist, wenn auf einen Anruf hin Hunderttausende von Flugblättern gedruckt werden. Andere berichten von immer weniger Zeit für sich selber, von falschen und echten Freunden, von gescheiterten Ehen und neuen Versuchen. Nur an den Kanzler ist nicht so leicht ranzukommen. Politik "macht mir Spaß, und es befriedigt Eitelkeiten", gestand er noch 1991. Sieben Jahre später, als Kanzleranwärter, war er schon ungeduldiger: "Ich muss jetzt gehen, mein Staatssekretär wartet, ich muss jetzt noch regieren."

Herlinde Koelbl: Spuren der Macht. Die Verwandlung des Menschen durch das Amt. Knesebeck Verlag 1999, 400 Seiten, 120 Abbildungen, 50,11 EUR



15.08.2001


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