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Die Austrittswelle rollt - Ralf Michalowsky
Liebe Freunde, angesichts des gestrigen Abstimmungsergebnisses
im Deutschen Bundestag, nur vier grüne Abgeordnete lehnten den –
in meinen Augen – Kriegseintritt Deutschlands ab, habe ich mich
entschlossen, die Partei Bündnis90/Die Grünen zu verlassen. Ich
erkläre hiermit meinen Parteiaustritt.
Ihr wisst, dass ich schon seit dem völkerrechtswidrigen Angriff
auf Serbien und der schonungslosen Bombardierung des Landes, meine
Funktion als damaliger Stadtverbandssprecher weitgehend ruhen ließ.
Seitdem hat sich die Partei weiter in eine Richtung entwickelt,
die meinen eigene politischen und ethischen Überzeugungen nicht
mehr gerecht wird.
Mein Entschluss, die Partei zu verlassen, fällt mir nicht leicht.
Seit mehr als dreißig Jahren bin ich politisch aktiv – nicht nur
in politischen Parteien, sondern auch in verschiedenen Gruppen und
Vereinen. Gerade die Gestaltung unseres kommunalen Gemeinwesens
hat mich, wie ihr wisst, immer sehr interessiert; doch letztlich
möchte ich mich nicht ständig für eine Bundespolitik rechtfertigen
müssen, die ich ablehne.
Auch unsere relativ behütete Welt droht nach dem 11. September
2001 kälter und kriegerischer zu werden und es steht zu befürchten,
dass nach dieser beispiellos brutalen Terroraktion, die US-Regierung
in der Logik einer Gewaltspirale zurückschlägt und neue Eskalationen
folgen. Der nun anstehende „monumentale“ Kampf des „Guten gegen
das Böse“ (Bush) kann nicht erfolgreich den Terror bekämpfen. Militärschläge
nützen weder den Opfern des Terrors noch sind sie ein geeignetes
Mittel zur Verhinderung oder Eindämmung des Terrorismus.
Eine Politik, die den Terrorismus wirksam bekämpfen und eindämmen
will, muss ihm den sozialen, politischen und ideologischen Nährboden
entziehen, in dem er gedeiht. Auch die sozio-ökonomischen Ungleichheiten
in der Welt, die sich durch neoliberale Globalisierung verschärft,
bilden eine Ursache (wenn auch keine Entschuldigung) für Gewalt.
Sie zu bekämpfen ist unverzichtbarer Bestandteil einer wirksamen
Strategie gegen den Terrorismus.
Ich wünsche mir, dass die Einsicht siegt, dass wir, die „zivilisierte“
Welt, ob wir wollen oder nicht, auf Kredit von der restlichen Welt
leben. Ich bin in dieser Welt geboren, lebe hier sehr gut und habe
gelernt damit umzugehen, dass sich mein Wohlstand nur dadurch erreichen
lässt, dass anderswo in der Welt Menschen ausgebeutet werden und
sterben. Ich werde daran nichts ändern können, oder nur in sehr
engen Grenzen, aber die Tatsache bleibt, dass es so ist.
Anstelle von Repressionen sollten wir uns daran machen, zumindest
einen Teil unserer Schulden zu begleichen, dann hätten wir eine
Chance, dass solche Terroraktionen in Zukunft ausbleiben.
Die jetzt vorbereiteten militärischen Aktionen werden dazu führen,
dass wir mit dem Terror leben müssen; die Front wird dann über kurz
oder lang immer näher rücken.
21. Sept. 2001
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